Die Riedmühle zu Petterweil
Geschichtliche Fundstücke aus unseren Recherchen zur Riedmühle
Allgemeines in Kürze:
Die Riedmühle war über Jahrhunderte im Besitz/Pacht der Erbbeständer des Hauses Solms-Rödelheim.
Sie gehörte bis zur Aufhebung des Mühlenbanns (ca 1845) zu den ca 30 Bannmühlen im „Rentamtsbezirk Friedberg“.
1854 ging die Riedmühle ganz in Privatbesitz über. Ca 1928 musste die Mühlentätigkeit aufgegeben werden.
Wir, die heutigen Besitzer haben die Riedmühle und die umliegenden Grundstücke im Jahre 2010 erworben.
Das Mühlenwerk als solches ist nicht mehr vorhanden.
Leben und Dorfgeschichte seit über 500 Jahren
So nach und nach entdecken wir immer mehr Geschichtliches und werden uns immer mehr bewusst, dass hier auf der Riedmühle schon über 500 Jahre durchgängig Leben war und dass die Riedmühle sowohl im Hinblick auf die Geschichte der Mühlen in der Wetterau als auch ortsgeschichtlich eng verzahnt ist mit der Geschichte des Dorfes. Wir haben angefangen, die Geschichte zu erforschen.
Bannmühle: Das Dorf Petterweil war ‚gebannt’ an die Riedmühle. Quasi ein Gebietsschutz für den Müller.
Ein wesentliches Faktum für die enge Verknüpfung der Riedmühle mit dem Dorf Petterweil ist die Tatsache, dass die Riedmühle über Jahrhunderte als Bannmühle für Petterweil definiert war. Sie ist eine von ca. 30 Bannmühlen im Bereich des Rentamtbezirks Friedberg. Eine Aufstellung der Bannmühlen wurde datiert mit 7.Mai 1832 angefertigt. Wohl im Vorfeld zur Aufhebung des Mühlenbannes (ca 1845).
Die Vorgaben und Bedingungen sind in der Mühlenordnung geregelt, deren Ursprung ist im 'Sachsenspiegel" (ein Rechtsbuch des Eike von Repgow, entstanden zwischen 1220 und 1235) festgehalten ist.
Bauern und Bürger des definierten Einzugsbereichs waren zum Mahlen an eine bestimmte Mühle gebannt = Gebietschutz. Im Falle der Riedmühle war es das Dorf Petterweil, (an die weiter bachabwärts liegende Neumühle das Dorf Okarben). Teil des Bannrechts hieß auch, dass im Gegenzug die Müller ehrenwert handeln mussten, z.B. korrekt berechnen oder niemand bevorzugen: daher kommt das Sprichwort „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“
Auch in weiteren Auflistungen ist die Riedmühle als Mühle im Rentamtbezirk Friedberg gelistet. So z.B. in Bezug auf "Wasserfall-Konzessionsgelder im Rentamtsbereich Friedberg" (1817-1836)
Historische Dokumente:
Bei verschiedenen Geschichtvereinen, Historikern und in historischen Veröffentlichungen finden sich einzelne Aussagen zur Riedmühle. Aber es waren immer einzelne und limitierte Aussagen und Informationen unter verschiedenen Blickwinkeln.
Ein großer Schatz schlummerte im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt:
Erfreulicherweise wurden vom Haus Solms-Rödelheim die geschäftlichen Dokumente zur Riedmühle archiviert. Diese 610 Dokumente „Die Nutzung der Riedmühle in Petterweil“ sind heute Teil der Solmser Sammlung im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt. Sie sind datiert von 1608 – 1854.
Dokumentenbestand digitalisiert:
Sowohl aus persönlichem Interesse an der Geschichte unserer Riedmühle, als auch als unseren Beitrag zur Ortschronik Petterweils, haben wir die digitale Reproduktion dieser im Staatsarchiv ‚schlummernden’ Dokumente auf eigene Kosten in Auftrag gegeben. In positiver Kooperation mit den Verantwortlichen des Staatsarchivs konnten wir so die komplette Sammlung reproduzieren lassen. So wird diese Sammlung auch für die Zukunft gesichert. Sie ist damit auch als Komplettwerk im digitalen Bestand des Hessischen Staatsarchivs erhalten und nun für jeden auch online verfügbar. In der Online-Datenbank
arcinsys sind die Dokumente unter dem Stichwort „Nutzung der Riedmühle zu Petterweil“ in den Ortsakten Solms-Rödelheim nun für jeden einsehbar.
Hier der Link mit der direkten Suchabfrage. Das erste Dokument dieser Sammlung stammt aus 1608.
Durch die Digitalisierung besteht nun auch die Möglichkeit, diese auch nach und nach zu transkribieren.
Über die nächste Zeit werden wir hoffentlich so manche Details noch entdecken.
Unser „Entdeckungs-Stand“ bis jetzt:
Die Riedmühle war eine Mahlmühle (Getreide) (und keine „Klappermühle“)
Sie war oberschlächtig (das Wasser lief von oben auf das Mühlrad)
Sie hatte 1 Mahlgang (also nur jeweils 1 Möglichkeit Korn zu mahlen, vermutlich zwischen den zwei Mahlsteinen)
Sie gehörte zu den Beständen des Grafen Solms-Rödelheim
Sie ging 1854 ganz in Privatbesitz über
Über den „Eselsweg“ haben die Bauern das Getreide gebracht und der Müller mit dem Esel das Mahlgut zu ihren Kunden gebracht. Auch der letzte aktive Müller hat das wohl noch so gemacht.
In der Mühle wurde nur Weizen und Roggen zu weißem und schwarzem Mehl vermahlen sowie Getreide geschrotet
Ca 1928 wurde die Mühlentätigkeit aufgegeben ( beim großen „Mühlensterben“); die kleineren Mühlen konnten nicht mehr rentabel arbeiten
Durch die Transkription des Petterweiler Familienbuches und die Unterlagen im Staatsarchiv konnten wir die Liste der jeweiligen Müller seit 1649 erstellen
Die Riedmühle war demnach immer auch bewohnt: Im Familienbuch Petterweil sind immer wieder Geburten in der Riedmühle erwähnt. Das früheste Datum in den uns momentan zur Verfügung stehenden Unterlagen datiert 2.11.1650
Schon im Jahre 1740 wird in einer Investitionsaufstellung der damaligen Riedmüllerin deutlich, dass zu der Mühle immer schon auch eine kleine Landwirtschaft gehörte: neben Haus und Scheune wird auch ein Schweinestall und ein Backofen erwähnt
In verschiedenen Gemarkungsplänen, Stadtkarten und Onlineplänen ist erkennbar, dass die Mühle immer aus einem Gebäudeensemble bestand. Je nach Karte sind 3-5 Gebäude verzeichnet
In den Gemarkungsplänen aus 1851 und 1892 ist erkennbar, dass die Gebäude schon damals die Maße hatten wie sie heute hier stehen.
Ein neu angefertigtes Dendrochronologisches Gutachten (Untersuchung des Alters einzelner Holzbalken), für das verschiedene Stellen des Holzes untersucht wurden, bestätigt, dass das Haus in ca. 1828 schon einmal intensiver erneuert wurde. Scheinbar stammt aus der Zeit auch der Dachstuhl. Andere Teile konnten mit dem Jahr 1673 datiert werden.
Über die Gassenblöcke um 1594 ist zu lesen: „Obwohl die Riedmühle außerhalb liegt, gehörte sie bei der Steuererhebung zum Block Schloßgasse; noch 1906 trägt sie die Anschrift Schloßgasse 15
Den Müllern der Riedmühle war es gestattet, anderen Müllern ein Mahlrecht zu erteilen und dafür Gebühren zu verlangen
In einem längeren Dokument „die Riedmühle zu Petterweil betreffend“ aus dem Jahre 1846 wird die Frage erörtert und festgestellt, dass die Mühle immer im Besitz des jeweiligen Müllers/Müllerin war und die Mühle quasi als Pfand für die ausstehende Pacht genutzt wurde und dass eventuell nur das Bannrecht verkauft wurde (was durch andere Dokumente ebenfalls bestätigt wurde und damit einen Wert für den Müller darstellt) In diesem Dokument wird auch auf verschiedene Rechnungen (Aufstellungen) in Bezug auf Verkauf oder Vererbung u.a. aus den Jahren 1500, 1502, 1638 usw. ..... verwiesen.
Aktuell heißt das für uns, dass momentan die dokumentierte Erwähnung
bis in das Jahr 1500
zurück geht. Die Mühle dürfte, da es sich dabei scheinbar um Verkaufs- bzw Übergabeunterlagen handelt, demnach wesentlich früher hier gestanden haben.
Geschichte und Geschichtchen um die Riedmühle:
Aufgrund der Lage am Wasser und im Falle der Riedmühle am Rande des Dorfes hat die Mühle, zum Dorf Petterweil gehörig („...auf der nach Petterweil eingepfarrten Riedmühle...“ Familienbuch Petterweil), immer schon eine besondere Bedeutung.
Viele Geschichten sind aus den Dokumenten zu erschließen.
Grabtafeln bei der Riedmühle gerettet:
Von Heinrich Steitz, Pfarrer zw. 1935 und 1937 und Kunsthistoriker, wird berichtet: Er sorgte dafür, dass ältere Grabplatten, die unbedacht zur Absicherung des Mühlgrabens nahe der Riedmühle genutzt wurden, dort weggenommen und an der ev. Kirche wieder aufgestellt wurden. (Aus dem Nachruf für Heinrich Steitz)
Wozu gehörte die Riedmühle:
Zu den Gassenblöcken um 1594 ist zu lesen: „Obwohl die Riedmühle außerhalb liegt, gehört sie bei der Steuererhebung zum Block Schloßgasse; noch 1906 trägt sie die Anschrift Schloßgasse 15. (Petterweiler Geschichtsblätter 3 (2002) Nr.4)
Revolution - und der Riedmüller wurde dabei vergessen:
In „Petterweils Beitrag zur Revolution von 1848“ ist zu lesen: „...um sich von den (Zehnt-) Abgaben zu befreien... versammelten sich am 20. März 1848 die Männer, bewaffnet mit Mistgabeln, Dreschflegeln und Sensen...und zogen zum Schloß des Grafen nach Assenheim...Fünf von ihnen wurden eingelassen...Die Verhandlung zog sich in die Länge. Schließlich schickten sich die Draußenstehenden an, die Fenster des Schlosses mit Steinen einzuwerfen. Daraufhin unterschrieb ihnen der Graf, was sie wollten. In Petterweil soll es darob ein großes Fest gegeben haben. Leider hatten sie bei der Aufzählung der Gerechtsamen, die gestrichen werden sollten, den Riedmüller und sein Wassergeld vergessen, so dass dieser als einziger Petterweiler auch weiterhin zahlen musste (Petterweil – Geschichte eines Wetterau-Dorfes).
Daraufhin wandte sich der Riedmüller wohl selbst an den Grafen und den Fiskus. In der Aktennotitz der Rentkammer an den Grafen heißt es dazu „Der Riedmüller bittet „...um gnädigsten Erlaß der auf seiner Mühle ruhenden 12 Malter Korn, wovon die Hälfte Solms Rödelheim und die andere Hälfte der Landgräfliche Fiskus dahier zu beziehen hat.....Die Beweggründe zu dieser Bitte sind in der Hauptsache die Schmälerung des Mahl-Bannrechts und der Mangel an Schutz in seinen Rechten“. Die Rentkammer stimmte sich dann mit dem Grafen dazu ab: „......so wäre uns Ihre Ansicht und Entscheidung in dieser Sache umso erwünschter...“(Dok 4/63)
Dem Müller ging es nicht immer gut. Riedmühle versteigert:
Im Jahre 1827 am 9.6. wurde die Riedmühle gleich zwei Mal versteigert. Zunächst von der Witwe des Müllers. Es gab einzelne Bieter für verschiedene Teile/Flurstücke wie Hofreite mit Mühlwerk (Wohnhaus, Stall, Mühlwerk), Wiesen bei der Mühle, Frankfurter Katharinenlehn, Okarber Gemarkung Wiesen, Frankfurter Pfarrlehn, Beim Schiefenbrunnen. Diese gemeinsame Summe der einzelnen Bieter wurde durch ein Gesamtgebot eines Verwandten überboten.
Nicht einmal zwei Monate später, am 27.7.1827 musste die Mühle aber erneut versteigert werden. Dann kam komplett ein Bieter aus Gelnhausen zum Zuge, der in der ersten Versteigerung schon für einzelne Teile geboten hatte. (Dok 4/50 ff)
Das Bannrecht hatte einen Wert:
Den Müllern der Riedmühle war es gestattet, „...wenn sie nicht im Stande waren, das Bedürfnis der Petterweil’schen Orts... zu befriedigen, anderen Müllern die Befugnis einräumen, Mehl in Petterwil anzunehmen, wofür die auswärtigen Mühlen dem Riedmüller einen Fristpacht entrichteten....... (Aus dem Dokument „die Riedmühle zu Petterweil betreffend“ vom 16.10.1846 Dok 4/72)
Das Bannrecht musste man sich neu erkämpfen:
1837 ging bei der Hofgräflichen Rentkammer ein „Gesuch um den Nachlass der Mühlenpacht“ ein. Dies wird entsprechend von der Rentkammer kommentiert:
„.... Auf dieser Mühle ruht.... ein ständiger Mühlenpacht: Mühlen- auch Malterpacht benannt, von 12 Malter Lohn jährlich, welche von dem Besitzer der Mühle auf Petertag entrichtet werden muß, nämlich
1) zur Hälfte an Grafen Rödelheim mit 6 Malter
2) zur Hälfte an Rentamt mit 6 Malter
Ein Mahlrecht kann rechtlich nicht angesprochen werden und hat wissentlich auch nie Kraft gehabt.
Zu dieser Riedmühle ist der Ort Petterweil gebannt.
Die Petterweiler Einwohner haben aber diesem Bannrecht in der neuesten Zeit widersprochen und dadurch faktisch aufgehoben, dass sie fremde Müller in den Ort riefen und diesen Früchten zum Mahlen übergaben.
Durch verschiedene Klagen, die der Müller deshalb extra bei Hr. Landrat Seitz zu Vilbel anstellte, hat derselbe sein Bannrecht dadurch so ziemlich wieder hergestellt, dass er sich einen Müller zu Holzhausen annahm, der gemeinschaftlich mit ihm die Mahlgeschäfte (?) in Petterweil befriedigte“ (25.1.1837 Dok 4/55r)
Ob der Müller den Aufträgen einfach nicht hinterher kam oder es einfach auch für ihn lukrativ war, einen zusätzlichen Müller mit einzuspannen, der ihm dafür Gebühren zu bezahlen hatte, bleibt Spekulation.
Auch die Witterung machte den Müllern zu schaffen:
"...Durch die schon seit 2 Jahren im Sommer eingetretene trockene Witterung, bin ich mit meinem Mahlwerk in den größten Schaden gekommen in dem es mir zu jener Jahreszeit nicht möglich war, ein halbes Malter Frucht in einem Tag zu mahlen, deshalb auch nicht das meiner Mühle zustehende Bannrecht zu verpachten, was ich ohne Schaden sonst könnte, weil ich auch bei günstiger Witterung gewöhnlich nicht allein die Belieferung meiner sämtlichen Mahlgäste befriedigen konnte..... 24.12.1836" (Dok 4/52)
Wir suchen Bilder
Was uns leider fehlt sind historische Bilder der Mühle. Manch ein(e) Dorfbewohner(in) kann sich zwar noch daran erinnern, dass das Mühlrad an der Südwestlichen Hauswand war, und dass der Mühlgraben dafür abgezweigt wurde, um das Mühlrad anzutreiben, aber Bilder fehlen uns dazu.